Unsere Menschen* | 1989
Frühjahr 1989. In einem Land namens DDR bereitet die politische Führung die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Staatsgründung vor. Ungeachtet des desolaten Wirtschaftssystems und eines Klimas politischer Lethargie, ungeachtet einer erstarkenden Protestbewegung und einer stetig anwachsenden Schar von Ausreisewilligen lässt die Staatsführung Volksfeste und politische Massenveranstaltungen inszenieren, wie es sie in solcher Zahl und Größe noch nicht gegeben hat.
Und all diese Sportfeste, Messen, Stadtjubiläen, Pressefeste, Misswahlen, Tanzturniere und natürlich das gigantische Pfingsttreffen der staatlichen Jugendorganisation FDJ werden vom Publikum dankbar angenommen als willkommene Abwechslung im gleichförmigen Gang des Alltags.
Undenkbar zu dieser Zeit, dass diese sich selbst bejubelnde DDR nur ein halbes Jahr später faktisch nicht mehr existieren wird. Undenkbar auch, dass biographische Fakten und Verdienste, die einen sicheren Platz auf der Sonnenseite des gesellschaftlichen Systems garantiert haben, einmal das Gegenteil bewirken werden.
Undenkbar, dass das eigene Leben weniger wert gewesen sein wird, weil man im falschen Land gelebt hat.
So undenkbar, dass sich manche dieser Bilder nicht mehr erinnern möchten.
*Unsere Menschen – das war die vereinnahmende Floskel, der sich die Partei- und Staatsführung der DDR in ihrem Verlautbarungsjournalismus gern bediente, wenn sie der Bevölkerung erklärte, was für sie gut sei und was nicht.